Ich laufe gerne ...

... weil es mir gut tut. 

 

Um ehrlich zu sein, war das Laufen nicht meine eigene Idee. Ich hatte eine kleine Wette mit einer Freundin laufen. Es ging um eine Sporthose. Meine Freundin meinte beim Kauf von zwei schönen Sporthosen (gleiches Modell, zwei Farben), dass ich jene gar nicht bräuchte, weil ich ja eh keinen Sport machte. Sie fügte hinzu, dass entweder ich würde paar Runden am Sportplatz laufen und könne beide Hosen behalten oder ich müsste ihr eine der beiden Hosen schenken. Ich entschied mich, zu laufen und konnte so beide Hosen behalten.

 

Und diese ersten Laufrunden am Sportplatz gefielen mir! Ohne genau zu wissen, warum eigentlich. Denn ich hatte weder Kondition noch entsprechende Muskulatur oder Ausdauer. Niemand von meinen Freunden war ein Läufer und ich hatte auch keine einzige atmungsaktive Sportklamotte. Dennoch ... ich fing an, regelmäßig am Sportplatz zu laufen – in Baumwolle-Shirts und Sneakers, denn ich hatte keine Laufschuhe. Eines Tages war der Sportplatz besetzt und ich wurde dadurch gezwungen, "im Freien" zu laufen. Dies war der Beginn der inneren Freiheit, die ich dank dem Laufen auf den Feldern spürte und immer noch spüre.

 

Kurze Zeit später entdeckte ich das Buch "Born to run" von Christopher McDougall. Dieses Buch war mein Wegweiser in die Leichtigkeit des Laufens bedingt durch das Vorderfußlaufen und den Lauf-Spirit, den der Autor in dem Buch beschreibt. Ich kaufte mir entsprechende Laufschuhe mit kaum Dämpfung und trainierte auf kurzen Strecken das Vorderfußlaufen. Denn es erschien mir sehr plausibel, welche Vorteile dieser Laufstil für Knie und den ganzen Bewegungsapparat hat. Etwa eineinhalb Jahre später lief ich meinen ersten Marathon.

 

Diese meine Laufgeschichte zeigt schön auf, dass es nicht notwendig ist, verbissen etwas unbedingt zu wollen. Im Gegenteil. Bewusstes Vertrauen ins Leben und die innere Ruhe, die sich daraus ergibt, sind verlässliche Lebensführer.

Denn das, was für uns bestimmt ist, kommt auf uns so oder so zu. Und je entspannter wir im Geist durch das Leben gehen, umso eher erkennen wir, dass alles einfach nur eine Erfahrung ist. Der Erfahrung geben wir dann die jeweilige Bedeutung und Wertung, die uns glücklich oder unglücklich macht. Warum? Weil wir es so gelernt haben. Aber es gibt auch eine andere Art, die jeweiligen Erfahrungen zu sehen. Nämlich urteilsfrei. Wir nehmen an, was ist und lassen uns bewusst überraschen, was daraus wird. In meinem Fall führte mich eine zufällige Wette in die Welt des Laufens, in der ich bis heute total aufgehe. Alleine mit meinem Verstand wäre ich nie darauf gekommen. Wie denn auch? Ich wusste ja nie, dass mir das Laufen so viel Freude bereiten werde. Doch es lag offensichtlich auf meinem Lebensweg. 

 

Das Laufen hilft mir auch sehr, von meinen eigenen starren Ideen und Vorstellungen, wie etwas zu sein hat, loszulassen. Es zeigt mir "Übersetzungen" für den Alltag auf. Also, welche Eigenschaften des Laufens ich im Job, in Beziehungen und allgemein im Alltag anwenden kann. Beispiel: Andere überholen und sich überholen lassen. Es gibt Tage, an denen ich sehr viel Kraft habe und es gibt Tage, an denen ich langsamer als üblich vorwärts komme. Und manchmal sind eben unsere Kollegen oder Partner langsamer als wir, wenn sie zum Beispiel (in unseren Augen) etwas nicht kapieren. Aber es gibt auch Tage an denen wir selbst weniger leistungsfähig sind. Beides gehört zum Leben dazu. Beides ist okay. Es ist weder besser oder schlechter. Es ist, wie es ist.

 

Auch merke ich, dass wenn sich mein Geist bewegt, also wenn sich meine Sichtweisen auf das Leben ändern, dann will sich mein Körper ebenfalls bewegen. Beides, Geist und Körper gehen Hand in Hand. Einst las ich: Körper und Verstand sind die Diener unseres Geistes. Und dank dem Laufen kann ich dies tatsächlich bestätigen. Wichtig ist nur, dass wir bereit sind, es erfahren zu wollen. Wie es dann in der Praxis aussieht, zeigt uns das Leben von alleine. Ja, genau. Ohne, dass wir es vorher planen müssen. Denn keiner von uns weiß in Wahrheit, was das Beste für uns ist. Wir wissen nur das, was uns unsere Erfahrungen lehrten. Und auf etwas von alleine zu kommen, was der Verstand nicht kennt, ist für uns Menschen beinahe unmöglich. Daher brauchen wir hier die Unterstützung des Vertrauens ins Leben, das uns sehr wohl stets führt.